Anatomie des Knochens
 
“Mein Hund bekommt das BESTE Futter.“
„Logisch gehen wir radeln, sonst gibt er keine Ruhe!“
„Natürlich gehe ich wandern mit meinem Junghund, warum auch nicht!“
Die Anatomie des Knochens
Die Röhrenknochen des Hundes haben einen vierschichtigen Aufbau.
Knochenhaut: an der Aussenfläche des Knochens liegt die Knochenhaut. Sie besteht aus stark durchnervtem und durchblutetem Gewebe und ist eng mit dem darunterliegenden Knochenmantel verbunden. Die Knochenhaut führt über ihre Anbindung an die Blutbahn die Nährstoffe und Bausteine an den Knochen.
Knochenmantel: der Knochenmantel enthält die Mineralstoffe des Knochens. Obwohl er zum größten Teil aus anorganischem Material wie Calcium, Phosphor, Magnesium, etc. besteht, ist der Knochenmantel keineswegs leblos. Vielmehr ist sein Dasein von lebhaften Knochenstoffwechselvorgängen, also starker Zelltätigkeit, geprägt.
Schwammschicht: in der Schwammschicht des Knochens befindet sich eine balkenförmige Struktur aus fibrinem Bindegewebe, die dem Knochen zusätzliche Elastizität und Stabilität gibt.
Knochenmark: das Knochenmark übernimmt verschiedene Aufgaben, u. a. bei der Blutbildung.
Die Knochen des Hundes sind zeitlebens aktiv und betreiben einen regen Stoffwechsel mit vielfältigen Aufbau-, Umbau- und Anpassungsvorgängen.
Während des Wachstums stehen die Verlängerung und die Zunahme der Knochensubstanz im Umfang im Vordergrund. Das Längenwachstum findet an den Epiphysen (Wachstumsfugen) der Knochen statt. Die Epiphysen befinden sich an den beiden Enden der Röhrenknochen. Vereinfacht gesagt entsteht hier durch rege Zellteilung neues Knorpelgewebe, das die beiden Enden des Knochens diesseits und jenseits der Epiphyse auseinandertreibt. In einiger Entfernung zur Wachstumsfuge setzt zunehmend die Mineralisierung des noch knorpeligen Gewebes ein. 
Erst hier erhält das neu gebildete Gewebe die Stabilität von Knochengewebe. Der Massenzuwachs im Durchmesser entsteht durch rege Zelltätigkeit im Bereich des Knochenmantels.
 
Am Knochenwachstum beteiligte Organe
An einem gesund wachsenden Knochengerüst sind viele Organe beteiligt. Die wichtigsten sind:
Das endokrine System: verantwortlich für ein gesundes Knochengerüst sind die Hypophyse (Hirnanhangdrüse), die Schilddrüse (hier insbesondere die Nebenschilddrüse), die Nebennierenrinden sowie die Keimdrüsen. Die Bedeutung der hormonellen Vorgänge für das Wachstum wird in neuester Zeit als immer wichtiger eingestuft.
Die Nieren: die Voraussetzung für einen geordneten Mineralstoffhaushalt sind gesunde Nieren. Der Niere obliegt die ausführende Funktion für den Mineralstoffhaushalt. Die Nieren haben während des Wachstums erhebliche Leistungen zu verrichten, um den erhöhten Mineralstoffumsatz zu bewältigen.
Der Darm: im Darm werden die für den Knochen- und Gelenkstoffwechsel wichtigen Nahrungsbausteine aufbereitet und der Blutbahn zugeführt.
 
Erkrankungen des Knochengerüstes im Wachstum:
Erkrankungen im Bereich des Gelenkes:
a) Erkrankungen am wachsenden Gelenkknorpel, insbesondere OCD (Osteochondrosis dissecans). Dies bezeichnet eine Fehlbildung des Gelenkknorpels insbesondere an Schulter, Ellbogen und Knie mit der Ausbildung blasiger Strukturen und mangelnder Knorpelqualität. Es kann zu Absprengungen von Knorpel oder zum Fehlen ganzer Gelenkknorpelpartien kommen. 
Typische Symptome sind Bewegungsunlust und unweigerlich rezidivierende akute Entzündungen der betroffenen Gelenke mit Lahmheit.
b) mangelnde Mineralisierung der Knochensubstanz im Gelenkbereich, u. U. mit der Ausbildung von fibrinem Fasergewebe (Erkrankungen im Sinne einer Osteodystrophia fibrosa, die man in diesem Zusammenhang auch als jugendliche Arthrose bezeichnen könnte). Die Symptome entsprechen denen aller degenerativen Gelenkerkrankungen. Das heißt, es handelt sich weniger um akute Entzündungssymptome als um Bewegungsunlust oder auch stumpfen Gang ("der Hund muss sich erst einlaufen").
c) mangelnde Ausbildung der Gelenkform durch mangelnde Zelltätigkeit der Knochenbildner, was zu unanatomischen Entrundungen, Abflachungen und Fehlstellungen führt (typische Vertreter dieser Erscheinungsform von Wachstumsstörungen sind Dysplasie des Hüftgelenkes und des Ellenbogengelenkes). Kennzeichnende Symptome sind unanatomische Beweglichkeit der betroffenen Gelenke und später Lahmheit durch Entzündung, die durch die unvollständige Ausformung des Gelenkes entsteht.
Erkrankungen im Bereich der Epiphysen
Hier kommt es zu mangelnder Mineralisierung und damit Aushärtung der neu gebildeten Knochensubstanz. Die Gewebsveränderungen bestehen in mangelnder Mineralisierung und einer Zubildung von fibrinem Fasergewebe in der Epiphysenregion.
Typisch sind die harten, sicht- und tastbaren Vergrösserungen im Wachstumsfugenbereich. Der Vorgang kann sowohl unter Wärmebildung ablaufen als auch ohne akute Entzündungssymptome. Die entstehenden Gewebsveränderungen werden sinnvollerweise denen einer Osteodystrophia fibrosa zugeordnet. In extremen Fällen kann es zu einem einseitigen Zusammenbrechen der Wachstumsfuge kommen, in deren Folge der Knochen nur noch einseitiges Längenwachstum zeigt und ein regelrechter Knick im Knochen entsteht. 
Typische Symptome von Wachstumsstörungen an den Epiphysen sind Bewegungsunlust in Verbindung mit zum Teil druckempfindlichen Umfangsvermehrungen im Wachstumsfugenbereich.
Wachstumsstörungen im Bereich des Knochenmantels
Hier liegt eine mangelnde Tätigkeit der knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten) oder häufiger eine übermäßige Tätigkeit der knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) in Folge einer hormonellen Fehlsteuerung des Calciumstoffwechsels vor. Die Folge ist mangelnde Substanz des Knochenmantels, was zu Instabilität des Knochens führt (Rachitis und jugendliche Osteoporose). Das typische Symptom ist die Verkrümmung der Röhrenknochen über die gesamte Länge (im Unterschied zur Abknickung im Wachstumsfugenbereich beim Zusammenbruch der Epiphyse).
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die verschiedenen Ursachen für Wachstumsstörungen am Skelett des Hundes nicht eindeutig einer Erscheinungsform zugeordnet werden können. So kann eine hormonell bedingte Calziumstoffwechselstörung sowohl eine Rachitis als auch eine Osteodystrophia fibrosa am Gelenk hervorrufen. Die letztendliche Ausprägung der Erkrankung in einem bestimmten Symptombild hängt von der individuellen Disposition, den Lebens- und Haltungsbedingungen und anderen Faktoren ab.
 
Ursachen für Knochenstoffwechselentgleisungen während des Wachstums
I. Fütterungsunabhängige Ursachen
Bewegungsüberlastung: übermäßiges Toben und Nichteinhaltung nötiger Ruhephasen sowie Fahrradfahren oder verfrühtes, übertriebenes Training mit wachsenden Hunden führt insbesondere zu Epiphysenproblemen und zu Problemen im Gelenkbereich.
Nierenüberlastung: Nierenüberlastung durch zu starke Konzentration von nierenbelastenden Substanzen wie Antibiotika, chemischen Floh- und Zeckenbekämpfungsmitteln, zu häufigen und zu starken Wurmkuren, Umweltgiften (Insektiziden, Pestiziden) etc. führen insbesondere zu Störungen im Mineralstoffhaushalt (mangelnde oder übermäßige Mineralisierung im Gelenk- und Knochenmantelbereich).
Darmstörungen: Malabsorptionsprobleme, wobei der Körper die in der Nahrung verfügbaren Vitamine und Mineralstoffe der Blutbahn nicht mehr zuführen kann.
Hormonstörungen: fütterungsunabhängige Hormonstörungen beim jungen Hund entstehen in der Regel nur durch Medikamente mit hormoneller Wirkung (Anabolika, Kortikoide, ACTH-Verbindungen, Östrogene, Testosterone etc.). Diese bergen die große Gefahr in sich, hormonell bedingte Wachstumsstörungen auszulösen.
  II. Fütterungsabhängige Ursachen
Primäre Mineralstoffunterversorgung: das Auftreten einer primären Mineralstoffunterversorgung ist bei einer Verfütterung von Trockenfutter nahezu ausgeschlossen. Dieses Problem kann bei selbst zusammengestellten (selbstgekochten) Rationen oder beim BARFen durch eine unsachgemäße Futterzusammenstellung entstehen.
Vitamin- und Mineralstoffüberversorgung: Überversorgungen insbesondere mit Calcium und Vitamin D3 können zu einer Unterversorgung der Knochen mit Calcium führen. Dieser Zusammenhang zwischen Wachstumstörungen mit Knochenentkalkung durch Vitamin- und Mineralstoffüberversorgung wurde lange Zeit vernachlässigt. 
Dies erklärt, warum trotz der weiten Verbreitung von Hundetrockenfutter und Mineralstoffzusätzen zu selbstgekochten Rationen die Verbreitung von Wachstumsstörungen nicht ab-, sondern zugenommen hat.
Ein Zuviel an Calcium und synthetischen Vitamin D3 und Vitamin A ist als genauso risikoreich einzustufen wie eine Calciumunterversorgung. Die Verabreichung zusätzlicher Kalktabletten, die fast alle synthetisches Vitamin A und Vitamin D3 enthalten, zu einem normalen Trockenfutter führt fast zwangsläufig zu einer Knochenstoffwechselstörung beim jungen Hund.
Aber auch die meisten Hundetrockenfutter enthalten allein schon einen zu hohen Anteil an Calcium und den Calciumaktivierern Vitamin A und Vitamin D3. Calciumwerte von über 1% bergen in Verbindung mit der Zugabe von Vitamin D3 und Vitamin A insbesondere bei großen Hunderassen eine nicht zu unterschätzende Gefahr einer gravierenden Knochenstoffwechselentgleisung in sich.
Verfasser - Vet-Phisio Oberbuch